Yijie Wang


Yijie Wang
– Traumfänger

Am 5. und 6. April 2013 wird das Ensemble Obligat Hamburg die neue Komposition „Traumfänger“ für Flöte und Streichtrio von Yijie Wang im Weißen Saal des Jenisch Hauses uraufführen. Prof. Imme-Jeanne Klett und Prof. Clemens Malich befragten die Komponistin.

Liebe Frau Wang, wie kamen Sie auf den Titel „Traumfänger?

Yijie Wang: Der “Traumfänger” ist ein indianisches Kultobjekt. Es besteht im Wesentlichen aus einem Netz in einem Weidenreifen, der noch mit persönlichen bzw. heiligen Gegenständen dekoriert wird. Der Traumfänger soll, dem Glauben nach, den Schlaf verbessern. Es wird dabei angenommen, dass die guten Träume durch das Netz gingen, die schlechten im Netz hängen blieben und später durch die Morgensonne neutralisiert würden. Mein “Traumfänger” ist ein Wiegenlied. Als ich Kind war, hat meine Mutter immer das Lied vor meinem Schlaf vorgesungen. Das Stück basiert auf diesem Volkslied. Die Nacht kommt, mein Traum beginnt mit dem Lied. Ich habe viele verschiedene Träume erlebt, manchmal schön, manchmal aggressiv, manchmal traurig, ängstlich...Am Ende bin ich aufgewacht – was ich geträumt habe, weiß ich nicht mehr, nur das Lied bleibt in meinem Gedächtnis.

Mit welcher Musik sind Sie aufgewachsen? Und: wie empfinden Sie die europäische Musikkultur?

Ich bin mit europäischer Musik aufgewachsen. Ich fing mit 5 Jahren an Klavier zu spielen, damals habe ich nur die Musik europäischer Komponisten gespielt, z. B. Mozart, Beethoven, Bach... Daher ist für mich die europäische Musikkultur gar nicht fremd.

Was ist an Ihren Werken chinesisch-traditionell, was europäisch, was individuell? Was hat sich an Ihrer Wahrnehmung von Musik in Deutschland verändert?

In meiner Kindheit habe ich nicht so viel chinesische traditionelle Musik gehört und gespielt, ich habe erst in meinem Studium begonnen sie kennen zu lernen. Ich habe verschiedene traditionelle chinesische Opern kennen gelernt, auch verschiedene Volksmusik... Die Musik hat mich sehr inspiriert.
Nach meinem Bachelor-Studium kam ich nach Deutschland (2006) und hörte dann viel europäische zeitgenössische Musik und nahm an vielen Projekten teil. Durch diese Praxis sammelte ich mehr und mehr Erfahrungen und fand meinen eigenen Klang.

Wie würden Sie selbst Ihren Kompositionsstil beschreiben?

Mein Ziel ist es, meinen eigenen Weg zu finden und meine eigene Musik zu komponieren. Meine Musik hat immer eine sehr enge Beziehung zu meinen persönlichen Erfahrungen und Gefühlen, sie ist sehr emotional. Neue Musik muss nicht unbedingt zu kompliziert und schwer verständlich sein, sondern darf auch manchmal einfach und schön sein. Die traditionelle chinesische Kultur ist für meine Kompositionen ebenfalls sehr wichtig. Ich liebe die alte Musik aus China, ich werde die östliche Musik mit meinem eigenen neuen Klang und westlichen Instrumenten kombinieren und ihr neues Leben geben - orientalische und westliche Kultur treffen aufeinander.

Was erwartet den Hörer bei Ihrem Werk „Traumfänger“?

Ich träume viel. Jede Nacht bin ich in meinem Traum wie in einer anderen Welt. Ich stelle dies in meinem Stück dar und hoffe, dass die Hörer sich in meiner Komposition an ihre eigenen Träume erinnern und ihre eigene geheimnisvolle „Welt“ erleben.

Ihr Flötenquartett „Traumfänger“ ist eine Auftragskomposition des Vereins kammermusik heute e.V. , der sich engagiert der Förderung und Umsetzung von aktueller Kammermusik widmet. Wie erleben Sie die Situation der neuen Musik in der jetzigen Musiklandschaft in Deutschland und international?

Ich bedanke mich, dass der Verein kammermusik heute mir diese gute Chance gegeben hat. Für uns Komponisten ist es sehr wichtig, dass die eigene Musik zu hören ist. Wir können durch Praxis viel lernen, manchmal mehr noch als im Studium. Nach dem Komponieren wollen wir natürlich, dass die Musik erklingt und nicht in der Schublade liegt.
Leider weiß ich auch, dass Neue Musik nicht überall beliebt ist, da sie nicht immer gut verständlich ist. Auf der anderen Seite wird sehr gute Musik immer akzeptiert werden, egal ob klassisch oder modern. Wenn die Musik aber vom Herzen kommt und ehrlich ist, dann wird sie auch verstanden und akzeptiert und gemocht.

Zur Person: Yijie Wang

Yijie Wang wurden 1983 in Qingdao (China) geboren. Wang erhielt seit dem fünften Lebensjahr Klavierunterricht bei ihrem Vater. Zwischen 1999 und 2002 besuchte sie die an das chinesische Konservatorium für Komposition angeschlossene Oberschule in Beijing. Von 2002 bis 2006 studierte sie Komposition bei Prof. Wanchun Shi am chinesischen Konservatorium in Beijing. Während dieses gesamten Studiums gewann sie sechsmal ein Stipendium für Komposition. Bei der Veranstaltung „Neue Kinderlieder“, die jährlich in Beijing stattfindet, wurde sie 2003 als eine der besten Teilnehmerinnen geehrt. Von einer chinesischen Geschichtsserie im chinesischen Fernsehen wurde sie eingeladen, im Bereich Musik teilzunehmen.

Seit Oktober 2007 studierte sie Komposition an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg bei Prof. Peter Michael Hamel. Seit Oktober 2008 hat sie das Leistungsstipendium erhalten. Im August 2008 wurden ihre Stücke „Mondnacht“ und „Vier Lieder nach Gedichten von Sappho“ im Bayreuther Junge Künstler-Festival uraufgeführt, im September 2008 ihr Instrumentations- Projekt Oper „Cosi fan tutte“ im Schwetzinger Mozart Festival. Im Dezember 2008 komponierte sie „Frankolin“ für eine Ausstellung der Hochschule für bildende Künste Hamburg. Im Mai 2009 kamen ihre „Vier Lieder nach Gedichten von Sappho“ im Ernst Barlach Haus zur Aufführung. Im November 2009 ist ihr Stück „Die Zeiten des Jahres“ bei den Hamburger Klangwerktagen in einer weiteren Besetzung aufgeführt worden. Im Juni 2011 wurden ihre zwei Orchesterwerke „Himmelssprung“ und „Chang’e’s Reise zum Mond“ in der Hammer Kirche Hamburg mit der Hamburger Camerata uraufgeführt. Im April 2012 folgte „Chang’e’s Reise zum Mond“ in der Laeiszhalle Hamburg mit den Hamburger Symphonikern unter der Leitung des Dirigenten Muhai Tang.

2010 schloss Yijie Wang das Diplom im Fach Komposition mit Note 1,5 ab. Seit April 2011 promoviert sie als erste Ausländerin zum Dr. mus. scie. als Komponistin und Musikwissenschaftlerin bei Frau Prof. Dr. Beatrix Borchard und Prof. Dr. Georg Hajdu, und erhielt hierfür für das Jahr 2012 ein Promotionsstipendium der Stadt Hamburg und ab 2013 ein Promotionsstipendium von Pro Exzellenzia. Darüber hinaus unterrichtet Yijie Wang seit Oktober 2011 am International College of Music im Hamburg die Fächer Musiktheorie und Gehörbildung.

www.yijiewang.de

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