Claus Bantzer


Uraufführung
26. September 2008
Hamburg, Jenisch Haus, Museum für Kunst und Kultur an der Elbe
Ensemble Obligat Hamburg


Metamorphosen im Jenisch Haus
„Pan & Syrinx“  
Interview mit Claus Bantzer

Für die Kammerkonzertsaison 2008/2009 im Weißen des Jenisch Hauses hat der Hamburger Komponist, Dirigent, Pianist und Organist Claus Bantzer eine neue Komposition geschrieben. Bernhard Asche und Prof. Dr. Hans Ulrich Schmidt hatten den Künstler interviewt, bevor er die Komposition geschrieben hat. Jetzt äußert sich der Komponist auch im Rückblick.

Bernhard Asche und Prof. Dr. Hans Ulrich Schmidt: Im Auftrag des Vereins kammermusik heute e.V. schreibst Du für das Ensemble Obligat Hamburg eine neue Komposition.  Die Uraufführung findet im September 2008 im Weißen Saal des Jenisch Hauses statt. Der Titel „Pan & Syrinx“ verweist auf die griechische Mythologie. Welche Bedeutung hat dieser Titel? Welche Rolle spielt dabei ein improvisatorischer Gedanke?

Claus Bantzer: Dieser Titel war Vorgabe vom Ensemble Obligat. Und so habe ich in meinem griechischen  Mythologiebuch über den Gott Pan nachgelesen. Diesen lärmenden, lachenden, mit Bockshörnern und Bocksbeinen ausgestatteten Gott. Interessant für mich ist, dass Pan gerne erschreckt ( daher unser Begriff vom „Panischen Schrecken“), plötzlich auftaucht und die Nymphen verfolgt. So wird der erste Teil der Komposition erst einmal das Wesen des Pan zum Ausdruck bringen. Die Improvisation spielt für die ersten Ideen sicher eine Rolle, später weniger.

Entwickelst Du über die Improvisation gerade bei einer solch ungewöhnlichen instrumentalen Besetzung (Flöte, Oboe, Viola da Gamba und Cembalo) eine formale Gestaltung?

Wie schon gesagt am Anfang, für die formale Gestaltung weniger. Im Vordergrund steht die Beschäftigung mit den unterschiedlichen Charakteren der Instrumente.

Inwiefern spielen bei dieser Komposition außermusikalische Bilder eine Rolle? Wir denken hier auch an Deine außerordentlich erfolgreiche Tätigkeit als Filmkomponist: Zum letzten, ja sehr erfolgreichen Doris Dörrie – Film hast Du ja die Musik geschrieben.

Bilder spielen für mich tatsächlich eine große Rolle. Sie regen mich zum Komponieren und Improvisieren an. Es gibt zu diesem Thema ja viele Kunstwerke.

Du bist in vielen Genres zuhause: In der Kirchenmusik sowieso, aber auch in der Jazz- und jazzverwandten  Musik. Inwieweit spielen auch diese vielfältigen Erfahrungen in der aktuellen Komposition eine Rolle? 

Die verschiedenen Genres, mit denen ich mich beschäftige, spielen beim Komponieren, bewusst oder unbewusst, garantiert eine Rolle. Inwieweit das auch auf die aktuelle Arbeit zutrifft, kann ich noch nicht sagen, ich komponiere noch.

Was macht Improvisation für Dich generell so wichtig?

Das Entstehen und Entwickeln von Musik aus dem Moment heraus. Improvisieren gelingt mir dann besonders gut, wenn ich nichts „will“, sondern mich einfach dem überlasse, was am Entstehen ist.

Nach 33 Dienstjahren verlässt Du „Deine“  Kantorei an der St.-Johannis-Kirche am Turmweg. Wir können uns aber kaum vorstellen, dass Du damit wirklich in den „Ruhestand“ gehst. Gibt es konkrete Projekte, die Du schon immer einmal verwirklichen wolltest, und die jetzt möglich werden?

Ich gehe natürlich überhaupt nicht in den „Ruhestand“. Sonst wäre ich schon seit meiner Kindheit im „Ruhestand“, denn ich wollte schon immer in meiner Freizeit Musik machen. Konkrete Projekte sind laufende Konzerte mit meinem Harvestehuder Kammerchor, mehr komponieren und Oper dirigieren.

Wie geht es weiter mit Deiner Tätigkeit als ausübender Musiker, z. B. als Dirigent der Hamburger Camerata, als Organist und als Pianist? Oder wird Deine kompositorische Tätigkeit einen größeren Zeitraum einnehmen?

Die Hamburger Camerata dirigiere ich weiter, den Kammerchor, als Organist liegen weitere Konzerte an. Darüber hinaus werde ich die Reihe „Kreuzungen“ unbedingt weiterführen, und dort bringe ich mich ja selbst als Pianist, Organist etc. mit ein.

Was waren für Dich die prägendsten musikalischen Erfahrungen Deiner Zeit in St.-Johannis?

Die Oratorienaufführungen von Bach, Purcell-Opern, die Jazz-Konzerte verbunden mit Renaissance-Musik ( z. B. 1987 Jan Garbarek und Harvestehuder Kammerchor), und in den letzten Jahren besonders die „Kreuzungen“-Reihe.

aus: impulse Nr. 19, Sept. 2008

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Vita – Claus Bantzer

Claus Bantzer wurde 1942 in Marburg geboren. Er studierte Klavier, Orgel und Dirigieren in Frankfurt/M. und Hamburg. Von 1975-2008 war er als Organist an der Kirche St. Johannis-Harvestehude tätig. Bantzer leitet zwei Chöre, mit denen er regelmäßig auf Konzertreisen im In- und Ausland ist. Neben seiner Organisten- und Chorleitertätigkeit hat Claus Bantzer sich als Komponist in verschiedenen musikalischen Bereichen (Jazzmusik, Filmmusik, moderne klassische Musik) einen Namen gemacht. So wurde beispielsweise 1980 seine Jazz-Messe “Missa Popularis“ und 1993 seine Jazzkantate “Tu deinen Mund auf für die Stummen“ unter seiner Leitung vom Norddeutschen Rundfunk uraufgeführt. Als Dirigent arbeitet Bantzer in Hamburg mit dem Kammerorchester HAMBURGER CAMERATA und dirigierte neben gängigem Repertoire viele Uraufführungen. Claus Bantzer schrieb etliche Filmmusiken, u.a. zu Filmen von Peter Lilienthal, Doris Dörrie und Jan Schütte. 1987 erhielt er den Bundesfilmpreis für Filmmusik, 1994 den “Prix de la Sacem“ des jüdisch-israelischen Filmfestivals in Frankreich.

Im April 2001 erhielt Claus Bantzer den Max-Brauer-Preis der Alfred Toepfer Stiftung F.V.S., im Januar 2004 wurde er zum Mitglied der Freien Akademie der Künste in Hamburg berufen. Für seine Verdienste um das Hamburger Musikleben wurde Claus Bantzer im Dezember 2007 vom Hamburger Senat mit der Senator-Biermann-Ratjen- Medaille ausgezeichnet. Seit November 1999 gibt es in der Kirche St. Johannis-Harvestehude die renommierte Konzertreihe “KREUZUNGEN – Musik verwoben“, in der Claus Bantzer u.a. seine hohe musikalische Improvisationsgabe mit anderen Künsten wie Malerei, Literatur oder Tanz kombiniert.

www.clausbantzer.de

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Der griechische Mythos um das antike Paar Pan und Syrinx
von Imme-Jeanne Klett

Der zottige, bocksfüßige Gott der Herden und Hirten Pan begegnet der lieblichen Nymphe Syrinx, die am Flussufer in der Mittagshitze mit ihren Gespielinnen tanzt, und verliebt sich unsterblich in sie – er möchte sie besitzen, sie aber flieht vor ihm voller Angst und voller Panik.

Er stellt ihr nach; sie gelangt auf ihrer Flucht an ein Seeufer und weiß sich in ihrer großen Not nicht mehr anders zu helfen, als die Götter um Rettung und Hilfe anzuflehen und sich in Schilf zu verwandeln. Gott Pan aber ist so voller Liebe und Sehnsucht und Verlangen, dass er sich aus diesem Schilf eine siebentönige Flöte schnitzt und für immer auf ihr spielt - damit die süße Stimme der Nymphe beschwörend, seine unendliche Sehnsucht in Töne fassend, den Windhauch über dem Schilf nachahmend…

Später schenkte der gehörnte Gott seine Flöte den Hirten, und so kam sie unter die Menschen.

aus: impulse Nr. 19, Sept. 2008

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Über die Komposition „Pan und Syrinx“
von Claus Bantzer

Für den 1. Satz dieser Komposition inspirierte mich die Welt des Gottes Pan. Dieser erschreckte gerne, tauchte plötzlich irgendwo auf und verfolgte die Nymphen. Am Anfang des Satzes verkörpern die Viola da Gamba und die Oboe dieses plötzliche Erschrecken, jeweils angestoßen durch die schnellen Figuren des Cembalo. Aber auch das Schwankende, Dionysische kommt zum Ausdruck. Durch ein kurzes Solo der Flöte wird die Nymphe Syrinx eingeführt. Sie steigt von ihrer (Ton-) Höhe herab und folgt thematisch eine Zeit lang dem Spiel des Pan.

Der 2. Satz symbolisiert die Welt der Nymphen. Hier bevorzuge ich für die Nymphe Syrinx den sonoren, warmen Klang der Alt-Flöte. Auf die arpeggierten Akkorde des Cembalos breitet sie ihr Thema aus, etwas lethargisch - lasziv. Oboe und Viola da Gamba fügen sich ein, ein sanftes Umkreisen der Instrumente ohne besondere Richtung. Eine warme Mittagsstunde in südlichen Gefilden, wenn man so will.

Im 3. Satz hat Pan sich in Syrinx verliebt und verfolgt sie. Das Cembalo legt das Tempo vor und treibt Pan und Syrinx zu ihrem Verfolgungsspiel an.

Da Pan die Nymphe nicht besitzen kann, wird sie von den beschützenden Göttern in ein Schilfrohr verwandelt, aus dem er in seiner Sehnsucht eine Hirtenflöte schnitzt, so die Legende. Das Verfolgungsspiel des 3. Satzes mündet in diese Verwandlung . 

Für den kurzen, folgenden 4. Satz benutze ich das thematische Material aus Debussy`s Komposition für Solo-Flöte „Syrinx“. Oboe, Viola da Gamba greifen das Thema der Flöte mit auf, sowie das Cembalo in harmonisch anderen Farben. Sie ziehen sich wieder zurück und lassen die Flöte die letzten Takte allein.

aus: impulse Nr. 19, Sept. 2008

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Pan & Syrinx –
Interview mit Claus Bantzer

Vita Claus Bantzer

Der griechische Mythos …
– von Imme-Jeanne Klett

Über die Komposition


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