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Stefan Schäfer
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Uraufführung
18. Mai 2007
Hamburg, Jenisch Haus, Museum für Kunst und Kultur an der Elbe
ensemble acht
Interview mit Stefan Schäfer
Spielen und Komponieren gehören für mich zusammen!
Prof. Dr. Hans-Ulrich Schmidt befragte Stefan Schäfer zu seiner neuen Komposition.
Hans-Ulrich Schmidt: 1991 gründete sich das ensemble acht in einer alten dänischen Sternwarte. Hättest Du die Sterne damals so lesen wollen, dass es das ensemble acht heute noch gibt? Was ist das Besondere dieser Formation?
Stefan Schäfer: Damals konnten wir nicht davon ausgehen, dass wir nach so vielen Jahren für Kammermusik in dieser Besetzung immer noch alles Stehen und Liegen lassen. Das Schubert-Oktett stand damals im Mittelpunkt. Bis heute hat es trotz unzähliger Aufführungen immer noch nicht an Faszination verloren. Im Gegenteil - es tun sich immer wieder neue Facetten auf. Das Besondere an dieser Formation ist sicherlich Freundschaft, die uns über all die Jahre zusammengehalten hat. Wir sind keine Zweckformation wie manche Oktette, die in einzelnen Orchestern zusammengestellt wurden. Mit Freunden musiziere ich jedenfalls lieber...und das scheint beim Publikum auch spürbar anzukommen.
Vor nicht einmal zwei Jahren feierten wir gemeinsam das fünfjährige Bestehen des Vereins kammermusik heute e. V., den Du und andere Musikerinnen und Musiker des ensemble acht ins Leben gerufen haben. Warum gab es nach der Gründung eines Kammermusikensembles auch noch die Gründung eines Kammermusikvereins?
Als wir den Verein ins Leben gerufen haben, hatten wir schon viele Jahre und zahlreiche Konzerte hinter uns. Der Wunsch wurde aber zunehmend größer, das Repertoire mit neuen zeitgenössischen Werken zu erweitern. Wir wollten mehr mit Komponisten, aber auch mit Zuhörern ins Gespräch kommen. So erschien uns ein Verein die ideale Plattform, um alle Beteiligten zusammenzubringen. Auf diese Weise konnte der Entstehungsprozess einiger neuer Kompositionen besser mit verfolgt und begleitet werden. Darüber hinaus wurde es etwas leichter, Kontakte mit Institutionen oder Sponsoren zu knüpfen. Schön ist es aber, dass der Verein inzwischen immer mehr an Eigenleben gewonnen hat.
Seit Oktober letzten Jahres ist die Serie KAMMERKONZERTE IM WEISSEN SAAL DES JENISCH HAUSES angelaufen, die Du mit Lust und Tatkraft zu großen Anteilen organisierst. Das ensemble acht bestreitet diese Reihe mit dem Ensemble Obligat gemeinsam. Interessante Gäste wie unlängst der faszinierende israelische Cellist Gavriel Lipkind runden ein Programm mit einer für das Credo des ensemble acht, des Vereins kammermusik heute e.V., nicht zuletzt aber auch Deiner Person selbst typischen und sehr gelungenen Mischung aus traditioneller Klassik und Moderne ab. Was macht für Dich den Reiz einer solchen Mixtur aus?
Auch schon bei der künstlerischen Leitung einer anderen Konzertreihe war es mir ein persönliches Anliegen, zeitgenössische Musik in die Programme zu bringen. Allerdings kam ich immer mehr von den ausschließlichen ,,Neue Musik-Events" ab, die in Wirklichkeit nur von einem bestimmten Personenkreis besucht werden. Als Spieler erlebe ich gemischte Programme vielseitiger, nicht zuletzt weil sich eine größere Bandbreite an spannenden Gegensätzen auftut. Von vielen Konzertbesuchern erhalte ich positive Rückmeldungen bei dieser Art der Programmgestaltung. Sie fühlen sich viel mehr an der Hand genommen und auf ein neues Werk eingestimmt.
Du stammst aus einer Familie, in der Vater, Mutter und die beiden älteren Brüder allesamt beruflich mit Musik zu tun hatten oder haben. Du hast einmal gesagt, bei Euch zuhause wurde wenig über Musik, noch weniger übers Komponieren gesprochen. Ursprünglich wolltest Du gar nicht Musik studieren. Wie hast Du trotzdem den Weg zur Musik gefunden?
Wahrscheinlich über mein Instrument Kontrabass und den Jazz. Alle Streichinstrumente und Klavier waren in meiner Familie schon ,,besetzt". Ich konnte miterleben, welche Höhen und Tiefen ein Musikerleben mit sich bringt. Die Höhen müssen scheinbar überwogen haben. Jedenfalls habe ich mir kurz vor dem Abitur eingestanden, dass ich eine Gabe für den Musikerberuf habe. Mit der Aufnahmeprüfung hat es dann auch reibungslos geklappt. Während des Schulmusikstudiums einem Studium Generale der Musik konnte ich in viele Bereiche hineinschnuppern, bevor ich mein eigentliches Ziel vor Augen hatte. Ich hatte das große Glück, ausreichend Zeit zu haben, meinen Weg zu finden.
Immer wieder hast Du Dich mit Pop-, Rock- und Jazzmusik beschäftigt. Viele bedauern, dass Deine damalige Devil´s Rubato Band nicht mehr spielt. Ihr habt mit Tom Waits zusammengearbeitet und u.a. eine wundervolle Wiederauflage des Beatles-Albums Abbey Road eingespielt. Was fließt aus dieser Phase in Deine eigene Musik ein?
Sicherlich habe ich mir durch die Beschäftigung mit jazzverwandter Musik eine gewisse Unbekümmertheit, vielleicht sogar Naivität bewahrt. Natürlich haben mich verschiedene Stilistiken des Jazz beeinflusst, wie Rhythmik, Phrasierung, Artikulation oder auch formales Denken. Für die Atmosphäre im Jazz kann ich mich immer wieder begeistern. Da entsteht durch Aneinanderreihung von Augenblicken eine eigene Dynamik. Wichtig ist es mir, mit meiner Musik etwas unmittelbar erzählen zu wollen.
Neben Deinem Hauptberuf als Solokontrabassist der Hamburger Philharmoniker komponierst Du - und das sehr erfolgreich. So wurde z. B. beim letzten Silvesterkonzert des Philharmonischen Staatsorchesters unter Ingo Metzmacher Dein 2004 entstandenes Orchesterstück ,,Kaispeicher A" für großes Orchester als Auftragswerk des Philharmonischen Staatsorchesters uraufgeführt. Am 18.5.2007 steht im Jenisch Haus die Uraufführung eines neuen Streichquintetts von Dir bevor. Was verbirgt sich hinter dem Titel ,,Soltane"?
Der Titel hat mit Parsivals Kindheit zu tun. Nachdem Parsivals Mutter Herzeloide vom Tod ihres Geliebten Gahmuret hörte, zog sie sich mit Parzival in das einsame Gehöft Soltane zurück, welches durch hohe Berge und tiefe Wälder von der Welt abgeschnitten war. Sie lebten dort ohne Reichtum wie einfache Bauern mit wenigen Knechten. Parsival hatte eine sehr behütete Kindheit. Selbst seinen Namen und seine Abstammung erfuhr er erst später kurz vor seinem ersten Auftritt am Artushof. Die Idee, in einer quasi paradiesischen Umgebung, in Unschuld und Unwissenheit aufzuwachsen, hat den Auslöser zu dieser Komposition gegeben. Jedenfalls hat mich dieser Gedanke sehr fasziniert. Zum Parsival-Epos und Wagners Oper gibt es keinerlei Anknüpfungspunkte.
Du hast schon häufiger erwähnt, dass Du Dich beim Komponieren von ,,Bildern" leiten lässt, die sich später verselbstständigen? Wie hat man sich das vorzustellen?
Häufig existiert bei meinen Kompositionen ein visueller Hintergrund, also eine Geschichte oder vielleicht auch ein real existierendes Bild. In meinen letzten beiden Kammermusikwerken ging es ebenfalls um Natur im weitesten Sinne. Bei Owl ging es um Eule und Wald, bei Die Glieder der Kette um eine Moorlandschaft. Allerdings stehen diese Bilder wie auch bei Soltane nur assoziativ am Beginn der Komposition. Es findet keine Illustration im eigentlichen Sinne statt. Die Musik verselbständigt sich von Anbeginn.
Wofür ,,brennst" Du eigentlich mehr: Fürs Komponieren oder fürs Spielen?
Zunächst war ich Spieler. Dann keimte in mir der Wunsch auf, mich auf meinem Instrument mit eigener Musik ausdrücken zu wollen. Daraus entwickelten sich wiederum Werke mit anderen Instrumenten. Für mich gehören Spielen und Komponieren unmittelbar zusammen. Ein großes Glücksmoment ist es für mich, als Spieler mit eigenen Werken aufzutreten.
aus: impulse Nr. 16, April 2007
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Echo: Soltane Gedanken zur Uraufführung von Prof. Dr. Hans Ulrich Schmidt
Am 18. Mai 2007 wurde im Jenisch Haus Hamburg von Mitgliedern des ensemble acht eine neue Komposition von Stefan Schäfer uraufgeführt. Soltane, ein Quintett für zwei Violinen, Viola, Violoncello und Kontrabass, komponiert im Auftrage des Vereins kammermusik heute e.V., war im Programm platziert zwischen dem Streichquintett op.35 G-Dur von Georges Onslow und Antonin Dvoraks Streichquintett op.77 G-Dur.
Christoph Schickedanz, Annette Fehrmann (Violinen), Esther Przybylski (Viola), Ingo Zander (Violoncello) und Silvio Dalla Torre (Kontrabass) lieferten eine eindrucksvolle Interpretation dieses vitalen und romantischen Stückes.
Schäfer ließ es sich nicht nehmen, die Zuhörer in sein Stück einzuführen. Spielen und Komponieren hätten für ihn viel miteinander zu tun. ,,Lust am Spielen" sei für ihn Voraussetzung fürs Komponieren. Er sei stark durch Geschichten und Bilder beeinflusst. Soltane greife einen Aspekt des Parzival-Epos auf, habe aber keinerlei Bezüge zu Richard Wagners Oper. Genauer gesagt gehe es hier um Parzivals Kindheit: Nach dem Tod des Vaters Gahmuret zog sich die Mutter Herzeloide mit ihm in ein abgelegenes Gebiet namens Soltane zurück. Dieses einsame Gehöft war durch hohe Berge und Wälder von der Welt abgeschnitten. Die Idee, in einer quasi paradiesischen Umgebung aufzuwachsen, habe den Auslöser zu dieser Komposition gegeben. Dieser Gedanke stehe am Anfang der Komposition, die sich dann zunehmend verselbständige. Fanfarenartig der Beginn des Maestoso-Allegro des 1.Satzes, übergehend in ein Cello-Ostinato. Assoziationen zu Astor Piazzolla werden wach. Eine weite, prärieartige Landschaft öffnet sich. Parzival verfügt über viel Raum! Vielleicht staunt er über Reichtum und Vielfalt seiner Umgebung. Kein enger Garten, eher eine großzügige, abwechslungsreiche Umgebung. Wir folgen einem rhythmisch prägnanten, sehr eingängigen Thema, das an amerikanische Musik des 20. Jahrhunderts erinnert. Das Andante des 2. Satzes beginnt fragend mit sich öffnenden kleinen Motiven. Suchend versucht die Violine, Räume abzutasten, erst zögernd, dann an Intensität und Festigkeit gewinnend. Trost und Schutz vermittelnde Motive geben Geborgenheit. Diese verstärkt ein sich später einstellender Dialog zwischen Violine und Cello, der an ein Wiegenlied denken lässt. Nach einem hymnischen Mittelteil leitet das Cello die Reprise des zart cantablen Kontrabassthemas ein. Dieser sehr dialogisch angelegte Satz mag die Reifung Parzivals widerspiegeln Lebendig und dynamisch der Beginn des 3. Satzes Allegro Vivo. Ein prägnanter Rhythmus leitet in einen eher suchend-innehaltenden Teil über. Später dominiert wieder das rhythmische und jazzartige, unterstützt durch Ostinati, unterbrochen durch einen zweiten, verhalteneren Teil. Optimistisch, fast euphorisch endet Soltane im prägnanten Anfangsmotiv des Satzbeginns. Parzival hat viel gelernt und erfahren. Er geht dem Leben offensichtlich mutig und gesund in großen Schritten entgegen.
Mit großer Begeisterung hat das Publikum dieses neue Werk aufgenommen da sprang der Funke über!
aus: impulse Nr. 17, Sept. 2007
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Vita Stefan Schäfer
Stefan Schäfer ist am 4.9.1963 in Ulm/Donau geboren, in Heidelberg aufgewachsen. Umfangreiches Studium an der Hamburger Musikhochschule, zunächst Schulmusik mit Hauptfach Klavier, später Hauptfach Kontrabass mit Hochschulabschlüssen Diplom, Diplom-Musiklehrer und Konzertexamen mit Auszeichnung.
1992 1. Preisträger des Elise-Meyer-Wettbewerbs in Hamburg. Im selben Jahr wurde er Kontrabassist bei den Philharmonikern Hamburg. Im Jahre 2000 wechselte er als Solobassist zu den Düsseldorfer Symphonikern, seit 2003 ist er in gleicher Position bei den Philharmonikern Hamburg tätig.
Schäfer komponierte ein umfassendes Oeuvre mit Werken für Kontrabass und erhielt dafür Auszeichnungen in England und USA. Neben anderen Kompositionsaufträgen schrieb er im Jahre 2004 im Auftrag der Philharmoniker Hamburg "Kaispeicher A" für großes Orchester. Schäfer komponierte außerdem Kammermusik, Lieder, Theater- und Hörspielmusiken.
www.bassist-composer.de
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