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Dieter Glawischnig
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Uraufführung
17. November 2006
Hamburg, Jenisch Haus, Museum für Kunst und Kultur an der Elbe
ensemble acht
„Abstand" Dieter Glawischnig
Der österreichische Komponist, Pianist, Bigbandleiter und Pädagoge Dieter Glawischnig hat im Auftrage des Vereins kammermusik heute e.V. für das ensemble acht ein neues Werk geschrieben. Seine neue Komposition trägt den Titel „Abstand“ und wurde am 17. November 2006 in Hamburg uraufgeführt.
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Vita Dieter Glawischnig
Am 7.6.1938 in Graz geboren, erste Berührung mit dem Jazz durch die Stationierung der Engländer in Graz; nach umfangreichen Studien an der Universität (Musikwissenschaft, Kunstgeschichte, Philosophie Dr. phil.) und der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Graz (Klavier, Theorie, Trompete, Posaune, Dirigieren).
Auslandsstudien in Nizza, Siena und den USA.
1969-75 Leiter der Abteilung Jazz der Grazer Musikhochschule, seit 1980 in Hamburg Chef der NDR Bigband.
Gründer des Studiengangs "Jazz und jazzverwandte Musik" und von 1982-2003 Professor an der Hamburger Musikhochschule.
Als Komponist und Pianist ebenso erfolgreich wie als Pädagoge. Jazz in kleinen Besetzungen praktiziert der umtriebige Künstler in den Gruppen: "Neighbours" mit Ewald Oberleitner und John Preininger, "Cercle" mit Tony Oxley und Andreas Schreiber.
Lebt in Hamburg und Graz.
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Interview mit Dieter Glawischnig
An der Grenze von Jazz und Klassik
Dieter Glawischnig antwortet auf die Fragen von Bernhard Asche.
Bernhard Asche: Deine verschiedenen Tätigkeiten als Komponist, Pianist, Bigbandleiter und Pädagoge sind sehr vielfältig und erfolgreich. Was tust du heute davon am liebsten?
Dieter Glawischnig: Ich mache alles gerne. Derzeit leite ich die hervorragende NDR Bigband, spiele Klavier in kleinen Gruppen oder im Duo mit dem Schauspieler Dietmar Mues eine Verbindung von Musik und Texten mit dem Versuch einer Integration hat mich immer schon fasziniert, es gibt auch 6 große Orchesterwerke, natürlich für die NDR Bigband (dreimal Ernst Jandl, Gunter Falk, Grimms Märchen nach Dietmar Mues, Henning Venske). Die Hamburger Musikhochschule habe ich als Päda-goge verlassen, als Mitglied im Hochschulrat bin ich ‚helfend’, so erforderlich, noch dabei.
Du hast dich immer auch für die zeitgenössische Musik deiner Kollegen der so genannten „E-Musik“ interessiert. Worin besteht dieses Interesse genauer?
Die Werke der klassischen Musik, ob ‚alt’ oder ‚neu’, sollten auch JazzerInnen interessieren. Vor allem der formale und strukturelle Reichtum ist anregend, vor der kompositorischen Meisterschaft der ‚Großen’ kann man nur den Hut ziehen! Auch die konsequente motivische Materialverarbeitung hat die Jazzer beeindruckt, und tut es immer noch.
Gibt es Verbindungen und Überschneidungen dieser Musik mit dem Jazz?
Die beiden wichtigen Elemente des Jazz, Improvisation und die ganz spezielle rhythmische Grundlage, die die Musik, wenn stilistisch gefordert, zum ‚swingen’ bringt (Stichwort off beat zusammen mit einer jazzmäßigen Phrasierung/Artikulation) sind ‚Klassikern’ oft fremd, weil sie sich während ihres Studiums damit kaum auseinandersetzen (müssen). Die alten Meister haben ja alle improvisiert, im 19.Jh. hat sich Improvisation dann nur noch auf die Kadenzen in Instrumental-konzerten beschränkt, und selbst diese wurden dann ausgeschrieben. In der Neuen Musik hat sich wieder ein bisschen Improvisation eingeschlichen (Aleatorik), nur wenige Ensembles haben wirklich improvisiert, v.a. ist hier Vinko Globokar zu nennen mit seinem New Phonic Art Ensemble. Einige Komponisten haben Orchesterwerke mit Jazzmusikern ‚garniert’, ein Sinfonieorchester zum Swingen zu bringen erscheint mir aber immer noch als unmöglich. Aber wozu auch? Allerdings kann die traditionelle Jazzinstrumentierung durch ‚klassische’ Instrumente mit Gewinn angereichert werden, ein großartiges Beispiel stammt von Gil Evans, ‚Sketches of Spain’.
Strawinskys berühmtes Stück „Die Geschichte vom Soldaten“ wurde von „Klassikern“ als auch von Jazzmusikern eingespielt. Obwohl exakt dieselben Noten gespielt wurden, sind die Unterschiede sehr deutlich. Tongebung, Phrasierung, Off-Beat sind ja wesentliche Merkmale der Interpretation von Jazz. Ist in dieser Komposition eine Anlage enthalten, die eine Verschmelzung von Klassik und Jazz gerade zu bedingt?
Das für Woody Herman geschriebene Stück verwendet den Klangapparat des Jazz, verzichtet auf Improvisation, bewegt sich aber im emotionalen Klima des Jazz. Vor einigen Jahren habe ich als Gastdirigent der WDR Bigband das Werk produziert und versucht, ‚passende’ Stellen swingend zu spielen, was interpretatorisch bei dieser Band natürlich kein Problem war. Sollte ich die Gelegenheit haben, das Stück nochmals aufzuführen, dann würde ich auf eine swingende Interpretation verzichten, und es so wirken lassen, wie es in den Noten steht.
„Ganz aus dem Stehgreif wurde und wird ja gar nicht improvisiert“, sagen Jazzmusiker. Die Komposition rückt also auch im Jazz mehr in den Mittelpunkt (zumindest seit dem Zweiten Weltkrieg). Es geht um das Verhältnis zwischen Komposition und Improvisation. Welchen Spielraum hat bei deinen Kompositionen die Improvisation, insbesondere wenn du für „Klassiker“ schreibst?
Ich schreibe fast nur für Jazz-Ensembles, dabei ist mir der kompositorische formale Rahmen sehr wichtig. Die Improvisationen sind dabei eingebettet in das vorgegebene Material (Motive, Tonreihen, Ausdruckscharakter), wobei die Solisten in ihrer Freiheit nicht allzu sehr eingeschränkt werden sollten. Allerdings sind die zeitgenössischen Spieler auf einem hohen technischen und musi- kalischen Stand, so dass ihnen einiges zugemutet werden kann; außerdem kennt ja jeder Komponist/ Arrangeur die Interpreten, für die er schreibt.
Dein neues Stück für das ensemble acht hat den Titel „Abstand“. Was verbirgt sich dahinter?
„Abstand“ ist ganz handfest zu interpretieren: der Titel bezieht sich auf ein System von Intervallreihen, von der kleinen Sekunde bis zur großen Septim, jeweils von einem anderen, ansteigen-den Ausgangspunkt übereinander geschichtet, der Titel hätte auch ‚Intervalltraining’ sein können. Es handelt sich um eine Idee, die mich schon länger beschäftigt, allerdings im improvisatorischen Umfeld. Der erste und ruhige Abschnitt dieses ‚work in progress’ verzichtet auf spezifische Jazzelemente und exponiert die Grundidee des Stückes auf ‚klassische’ Weise. Ich hoffe sehr, die Arbeit für das ensemble acht nach diesem kurzen Vorgeschmack fortsetzen zu können.
25 Jahre als „Grazer Jazzer“ in Hamburg gab es mehr schöne oder furchtbare Momente?
Was für eine Frage, natürlich waren es fast nur schöne (vereinzelte ‚furchtbare’ vielleicht mal bei einem after hour Bier). Mich hat immer schon die Praxis in Verbindung mit Theorie und Pädagogik interessiert, beide Felder konnte ich in Hamburg an der Hochschule für Musik und Theater und mit dem NDR-Orchester betreuen, so gut ich konnte. Da der ganze Organisationskram an der Hochschule weggefallen ist, komme ich auch wieder mehr zum Spielen (meine beiden Jobs waren schon sehr zeitintensiv). Und weiterhin werde ich v.a. an der Verbindung von Texten und Musik arbeiten, das starke Medium des Jazz und der improvisierten Musik als ‚Transportmittel’ für Botschaften einsetzen.
aus: impulse Nr. 14, Nov. 2006
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